Bin ich eine marode Rabenmutter? Alles nur eine Frage des Alters.

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Mutti Birgit, die immer wieder aus dem Nähkästchen plaudert, ruft zur Blogparade „Outing einer anonymen Rabenmutter„. Huiiii, da kann ich mitreden! Heut erst hat mich wieder diese Erkenntnis geküsst – Tendenzen dazu sind bei mir zu 100% vorhanden.

Ja, ich bin eine Rabenmutter. Hiermit ist Schluss mit anonym – jetzt ist’s ganz offiziell!

Alter, maroder Mama-Hase

Das Studium einschlägiger Literatur belehrt mich zwar eines Besseren, lediglich an der Umsetzung scheitere ich täglich kläglich. Möglicherweise liegt es auch an meinem Alter. Ich werde heuer 40. Meine Große wird heuer 4. Mein Kleiner 2. Ich glaub ich bin eine alte Mama. Oder bin ich inzwischen schon im Durchschnitts-Mama-Alter? Ich weiß nicht. Vielleicht ist man als Jung-Mama-Hase entspannter, frischer, lebendiger, aktiver, mobiler, agiler, offener, flexibler, … mit weniger Potential zur Raben-Mama ähhh Rabenmutter?

Früher (ja früher!) dachte ich, ich hab das richtige Alter zum Kinder kriegen. Etliche Jahre Berufserfahrung liegen hinter mir. Unzählige Begegnungen mit Kollegen, Vorgesetzten, Kunden und Geschäftspartnern. Zwischenmenschliches beobachtet, sondiert und kategorisiert. Diplomatie ist alles! Social Skills erworben, eifrig erprobt und für zukünftige Herausforderungen griffbereit im Großhirn abgespeichert. Sowieso kann man das alles mal bei der Familiengründung im Bedarfsfall abrufen … Kinder sind nur jünger, sicher auch nicht weniger kompliziert, wie der ein oder andere „Geschäftskontakt“ und Mama wird das Kind schon schaukeln. Hab ich mir gedacht! Aber – kein Vergleich! Nicht mal ansatzweise.

Wenn ich mich im Job nur einmal so verhalten hätte, wie ich es jetzt bei meinen Kindern zwischendurch mache, ich glaub meine berufliche Karriere hätte ein jähes Ende gehabt.

Die marode Rabenmutter lügt

Ja, ich lüge richtig – also nicht nur „schummeln“ sondern das richtige lügen ist damit gemeint. Und am Schlimmsten ist es, wenn ich meinem großen Mädl aber predige, dass „schummeln“ ganz, ganz furchtbar ist, und dass man das nicht macht, weil das die Mama (und den Papa) traurig macht. Dabei geht’s um Antworten auf Fragen wie, hast du dir nach dem Klo-gehen die Hände gewaschen, und man weiß ganz genau, das Kind hatte Stress, zurück zum Spielen zu kommen und deshalb ging sich’s einfach nicht aus.

Aber ich, ich belüg‘ die Kleine, weil ich ab und zu einfach zu faul, zu bequem, zu müde, zu gestresst, zu beschäftigt, zu abgelenkt, zu was weiß denn ich was bin um jetzt, gleich, sofort, auf der Stelle ihr diesen oder jenen Wunsch, Bitte, Befehl (ja, den Ton hat sie auch mit 3,5 schon drauf) zu erfüllen. Mir fallen die skurrilsten Argumente (Lügen) ein, warum dies oder jenes, jetzt, augenblicklich, in der Sekunde nicht geht. Und es macht mich traurig – ich bin von mir selbst enttäuscht, weil ich einerseits von ihr verlange es nicht zu tun, andererseits ich als Mama mich soweit im Griff haben sollte um ein besseres Vorbild zu sein. Ich fürchte mich, wenn mir irgendwann mal jemand sagt – der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Ja, ich bin eine Rabenmutter.

Die marode Rabenmutter ist egoistisch

Ich bin nach der Geburt der Kinder jeweils ein Jahr zu Hause geblieben. Nach diesem Jahr habe ich es gewagt wieder zurück in den Job zu gehen. In Teilzeit, also 20 Stunden.die ich an 2,5 Tagen versuche zu bewältigen. In diesen zwei Tagen verbringe ich auch meistens eine Nacht außer Haus – ja, das gibts. Me-Time und Mama-at-Work in 48 Stunden komprimiert. In dieser Zeit werden die Kinder „fremdbetreut“. Wie kann man nur! Rabenmutter! Der kleine Bub ist bei der Omi (Danke Omi!!!) und das große Mädchen ist im Kindergarten. Mama, Papa und Bub pendeln. Das Mädl bleibt im Ort. Das ist eine ziemliche logistische Herausforderung (Zugzeiten vs. Arbeitszeiten vs. Kiga-Öffnungszeiten), aber bis jetzt klappt es ganz gut. (Da sei dem Papa ganz wild gedankt!!!)

Als pendelnde Working-Mum bin ich aber nicht gerade das Standard-Modell in unserer Heimat-Gemeinde. Deshalb empfinde ich manche Reaktion, manchen Blick, manche Zwischenmeldung der ein oder anderen Mama-Genossin bzw. dem ein oder anderen Super-Papa eindeutig als stillen Deut in Richtung Rabenmutter. „Gibt die ihr Kind doch tatsächlich 3x in Nachmittagsbetreuung … und jetzt schickt sie das arme Mädl auch noch in Englisch – also 4x! Ist das oag!“

Und wenn ich die restlichen 1-2 Nachmittage unter der Woche, gerne mit meinen beiden Kindern gemeinsam die Zeit verbringe – stressfrei, entspannt im heimischen Umfeld – dann hat das nichts damit zu tun, dass ich meinen Kindern den sozialen Kontakt mit anderen Kindern verwehren will, sondern, dass ich gerne die Zeit, die mir mit meinen beiden Kindern gemeinsam unter der Woche noch übrig bleibt, gerne selbst gestalte, wie ich es möchte.

Ich Ego-Trip-Rabenmutter ich – ich schalte keinen Fernseher ein, sondern beschäftige mich mit den beiden aktiv. Wir spielen, basteln, malen, tanzen, singen, und so Sachen. Ich mag das. (Die armen Kinder!)

Die marode Rabenmutter sagt nein

Mein wunder Punkt. Im Job wäre es in der der Vergangenheit öfter angebracht gewesen NEIN zu sagen. Stattdessen verwende ich NEIN jetzt inflationär! Ich mag das Wort überhaupt nicht und bemühe mich wirklich im Innehalten und überlegen um Alternativen zu finden. Aber bei zwei Kindern in dem Alter, da überholen einen oft die Aktionen und Reaktionen der beiden, dass Mama nichts anderes übrig bleibt, als laut NEIN zu schreien … ja schreien kommt auch vor!

Wenn der Bub müde ist entwickelt er Kräfte und Aggressionen gegen sich und uns. Er wirft seinen Kopf hin und her – ganz furchtbar das mit anzusehen. Dann haut er seine Schwester, seinen Papa und mich. Mit Spielzeug, Trinkflasche und co. wird scharf geworfen … Oft höre ich mich „nein“ rufen. Ich kenne dieses Verhalten bereits von seiner Schwester. Bei ihr war es plötzlich von einem Tag auf den anderen vorbei. Auf diesen Tag warten wir jetzt bei ihm. Das „nein“-sagen hilft in diesen Momenten überhaupt nicht – aber es ist mein Mama-Reflex. Ablenken wäre die Alternative, funktioniert aber leider nicht in allen Situationen.

Wenn das Mädl müde ist, fallen ihr die interessantesten Dinge ein, die sie jetzt, auf der Stelle, sofort haben möchte. Mein aktueller Favorit nach dem Kindergarten ist, das sich ständige umziehen will. Es kann passieren, dass wir, kaum zu Hause, schon die erste große Krise haben. Weil sie in ihrer akuten, inneren Überforderung oft leider nicht die 100%ige Aufmerksamkeit und Unterstützung der Mama bekommt, die sie in ihrer An-Aus-und-Umzieh-Wut benötigt. Und er ist ja auch noch da.

Ich schaff es nicht, zwei Kindern gleichzeitig 100% meiner Aufmerksamkeit zu geben. 50/50 akzeptieren die beiden noch nicht. Und gleichzeitig zwei Kinder gleichermaßen ablenken, funktioniert auch nicht immer so zackig wie notwendig.

Die marode Rabenmutter versucht es trotzdem mit Diplomatie

Was folgt sind Mama-Monologe: „Bitte warte“, „hab Geduld“, „machen wir das noch vorher“, „Hilf mir doch da bitte“ … Wenn ich Glück habe, dann kratzen wir knapp die Kurve und sitzen 30 Minuten später beim Mittagessen. Wenn ich Pech habe, dann heißt es Zähne zusammen beißen, hoffen und beten, dass das autonomiephasengeschüttelte Mädl sich zeitnah entspannt und wieder auf Normaltemperatur kommuniziert. Mein Rabenmutter-Inneres sollte idealerweise auch wieder im Mama-bleibt-cool-Modus rennen.

Rabenmutter-Basics

  • nein, wir essen keine Zahnpasta – und auch keine Zahnbürstenborsten
  • nein, wir essen auch keine Steine, kein Holz, keine Schrauben, Nägel, …
  • nein, wir greifen nicht in Steckdosen und kauen auch nicht auf Elektrokabel herum
  • nein, wir hauen nicht mit dem Hammer (Spielzeug oder echt) gegen die Fixverglasung
  • nein, wir waschen das Spielzeug nicht in der Klomuschel
  • nein, wir essen auch keine Geschirrspültaps
  • nein, wir laufen nicht auf die Straße …
  • und so weiter und so fort
  • Rabenmutter???

Literaturempfehlungen –
nicht nur für die marode, moderne Rabenmutter

Folgende Bücher begleiten mich aktuell auf meinem Weg mit den Kindern:
Der entspannte Weg durch die Trotzphase von Danielle Graf und Katja Seide
„Liebe und Eigenständigkeit“ von Alfie Kohn

Jetzt wisst ihr also wie es um mein Rabenmutter-Dasein bestellt ist. So wie auch im Beruf, versuche ich auch als Mama immer mein Bestes zu geben. Bevor die Kinder in unser Leben kamen hatten wir auch Vorstellungen, Ideen und vor allem Vorhaben, wie wir es definitiv nicht machen wollten – und natürlich waren wir absolute Ahnungslose und wurden eines Besseren belehrt. Jetzt wissen wir es besser. Mit Kindern verändert sich vieles, und es bleibt oft nicht viel anderes übrig, als sich auf neue Herausforderungen einzulassen und zu versuchen, gemeinsam mit den Kindern einen Weg durch diese Lebensphasen zu finden. Auch als Rabenmutter ist es mir wichtig dabei authentisch zu bleiben. Das ist auch mein Anspruch an mich selbst im Berufsleben.

Ich bin möglicherweise egoistisch, lüge und mein diplomatisches Geschick ist enden wollend. Aber ich liebe meine beiden Kinder – und ich möchte ihnen trotz meiner vorhandenen Defizite eine entspannte und vor allem liebevolle Raben-Mama sein.

Und ihr so? Möchte sich noch jemand als Rabenmutter – oder Rabenvater – outen?

In diesem Sinne …

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